Christina Forsberg - London

Interview: Bjarte Frøyland | Photograph: Mark Henderson | Ort: London, UK

Christina Forsberg wuchs in Frederikstad, einer Kleinstadt südlich von Oslo, auf. Schon als Kind träumte sie davon, ins Ausland zu gehen und in einer der großen Metropolen zu leben. Nach ihrem Architekturstudium in Oslo machte sie ihren Lebenstraum wahr und zog nach London. Dort arbeitete sie mehrere Jahre in einem Architekturbüro, bevor sie kürzlich mit mehreren Projekten ihre Unternehmerkarriere begann.
Wir treffen Christina in Hampstead Village, direkt bei Hampstead Heath, einem der größten und naturnächsten Parks Londons. Uns interessiert, wie man als ehrgeizige Norwegerin in London lebt und wie ihre Freunde reagieren, wenn sie mit norwegischem Brunost konfrontiert werden.

Hi, Christina! Einfach toll, in London zu sein! Du lebst hier schon seit 5 Jahren?

Ja, das stimmt.

Wie beschreibst du London aus der Sicht der Architektin?

London bildet eine ziemlich vielschichtige und faszinierende Stadtlandschaft. Schließlich sind hier mit der Zeit viele, viele kleine Dörfer zu einer großen Stadt zusammengewachsen. Dabei haben die verschiedenen Stadtteile ihre eigene Atmosphäre und ihren eigenen Stil bewahrt. Es gibt so viele gut erhaltene historische Gebäude in London, dass ich zuweilen ziemlich nostalgisch werde. Durch die Straßen Londons zu streifen, hat etwas von einer Zeitreise in die Vergangenheit, das gefällt mir.

Christina Forsberg by the dinner table

Und Hampstead Heath? Das scheint ein Ort zu sein, den alle lieben. Stimmst du in das Loblied ein?

Voll und ganz! Schon vor meinem ersten Bewerbungsgespräch in London hatte ich gehört, wie einzigartig Hampstead Heath ist, also musste ich mir das ansehen und ich habe mich sofort verliebt. Ein so riesiges Stück Natur mitten in einer Millionenstadt ist wirklich einzigartig.

Was macht für dich den besonderen Reiz aus?

Es ist der Kontrast. In einer so geschäftigen und überfüllten Stadt ist die Fluchtmöglichkeit in eine stille Umgebung lebenswichtig. Und genau das bietet Hampstead Heath. Es ist grün und üppig bewachsen, man hört kaum etwas anderes als die Laute der Natur und fühlt sich wie auf dem Lande. Die Menschen kommen hierher, um eine Pause vom hektischen Alltag zu nehmen, sich zu entschleunigen. Hier findet man Raum zu atmen und zu denken. Das ist zumindest meine Sicht und der Grund für mein Lob.

Gibt es etwas in deinem Viertel, das du uns zeigen möchtest?

Mehr als genug, aber ich denke, ich schleppe dich zu einem schönen kleinen Laden in Hampstead Village, der sich „Artischocke“ nennt und mit alten Holzkisten voller wunderbarem Obst und Gemüse lockt. Und dann machen wir Halt in meinem Lieblingscoffeeshop „Ginger & White“, weil sie den besten Kaffee Londons in nachbarschaftlicher Vertrautheit servieren.

Dann lass uns losgehen und vielleicht noch etwas einkaufen für heute Abend, weswegen ich schließlich hier bin. Du lädst deine britischen Freunde ein und stellst ihnen eine tragende Säule norwegischer Esskultur vor. Wie sieht dein Plan für heute genau aus?

Wir wollen in Hampstead Heath picknicken und ich möchte einige Leckereien mit Brunost servieren. Ich habe nachgegrübelt, was man bei so einer Gelegenheit servieren könnte, und das Erste, was mir in Verbindung mit Brunost einfiel, war das hausgemachte Kartoffelfladenbrot meiner Mutter, ein typisch norwegisches Gericht. Traditionell wird es als Mantel für Würstchen verwendet, aber in meiner Familie wurde es gebuttert, mit Brunost belegt und aufgerollt. Sowas von lecker! Deshalb denke ich, das ist eine gute Idee für heute Abend. Als Gegenstück zu dem norwegischen Fladenbrot dachte ich an Scones, also etwas sehr, sehr britisches. Allerdings mache ich sie mit Roggenmehl, also schon etwas norwegischer, und ich glaube, sie sind bestens mit Brunost zu kombinieren, dazu etwas Konfitüre oder vielleicht sogar Sirup.

Christina Forsberg grocery shopping

Hört sich lecker an. Wer ist denn beim Picknick dabei?

Ich habe einige meiner besten Freunde hier in London eingeladen. Carina, die ursprünglich aus Hongkong kommt, meine britischen Freunde Ros und Edward und meinen norwegischen Freund Aleks.

Also kennt mindestens einer von ihnen Brunost schon. Und die anderen?

Die sind ziemlich neugierig, was es mit diesem Brunost auf sich hat.

Isst du eigentlich hier in London genauso viel Brunost wie zu Hause in Norwegen?

Ja, ich glaube schon. Normalerweise bringen mir meine Eltern welchen mit, wenn sie mich besuchen, aber ich kann ihn auch in einigen Geschäften in London bekommen.

Ich habe den Eindruck, dass die Menschen in London immer wenig Zeit haben und deswegen nicht so oft kochen wie die Leute anderswo?

Das ist leider so.

Und wie ist es bei dir?

Ich koche tatsächlich ziemlich oft. Glücklicherweise wohne ich mit einem guten Freund zusammen, der ein Start-up für Bio-Lebensmittel leitet, sodass wir beide „Foodies“ sind. Qualität ist das Wichtigste für uns und nach Möglichkeit kaufen wir nur Bio-Produkte und machen alles von Grund auf selbst. London hat so ein großes Lebensmittelangebot, es macht Spaß, das zu nutzen.

/ Nachdem wir eingekauft haben und durchs Viertel geschlendert sind, von dem wir jetzt verstehen, dass es ein beliebter Stadtteil Londons ist, kehren wir in die Wohnung zurück, um das Picknick vorzubereiten. /

Christina Cooking

Während du kochst, lass uns ein bisschen über deine Karriere hier in London reden. Was war das Beste und das Schlechteste an deinem Architektenjob?

Gute Frage. Vorweg, ich glaube, als Norweger ist man sehr privilegiert, ich möchte fast sagen: verwöhnt. Die Arbeitsethik und alle Arbeitnehmerrechte, die man in Norwegen genießt, sind einzigartig. England hat sowas auch, aber nicht in einem wirklich vergleichbaren Umfang. Man arbeitet hier viel länger und bis in die Nacht ohne allzu viel Kompensation. In einer so großen Stadt ist die Konkurrenz hart – schon alles ein wenig heftiger im Vergleich zu Norwegen.

Eine rauere Geschäftskultur?

Auf jeden Fall. Aber spannend. Ich konnte in London ziemlich prominente Gebäude designen – und wenn die in einem Jahr fertig sind, beginnt der freudige Teil. Einen Schritt zurückzutreten und sich zu sagen: „Ich habe das entworfen, ich erinnere mich, ich habe die Fenster designt, die Fassade, die Eingangshalle“, das sollte sehr befriedigend sein.
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Und nun arbeitest du seit kurzer Zeit freiberuflich. Was machst du da genau? Zum Teil immer noch Architektur, aber auch noch andere Projekte?

Nun, ich habe mich bis jetzt vorbereitet und etwas aufgebaut, während ich auf den richtigen Zeitpunkt, mich selbständig zu machen, wartete. Vor einigen Jahren habe ich einen Blog über skandinavisches Design gestartet, den ich ‘Scandinavialist’ nannte und der kontinuierlich wächst. Schon nach kurzer Zeit in London fiel mir auf, dass skandinavisches Design und Lebensgefühl immer größeres Interesse und wachsende Popularität erfuhren. Ich startete den Blog, um sowohl etablierten als auch neuen skandinavischen Marken eine Onlineplattform zu bieten. Der Blog besteht aus Artikeln und Interviews von verschiedenen Marken und Designern und deckt eine Spannweite von Design, Inneneinrichtung und Architektur bis hin zu Mode und Lifestyle ab. Der Blog ist mit Instagram verlinkt, dort geht es aber mehr um die Organisation einer Galerie und das Präsentieren von Design. Während des Aufbauprozesses habe ich ein unglaublich spannendes Netzwerk von Menschen geknüpft, sowohl in Skandinavien als auch hier in UK und im weiteren Ausland. Ich habe tatsächlich einige meiner besten Freunde, aber auch Geschäftspartner durch Instagram getroffen, das hat wirklich gut funktioniert.

Und während ich im Hintergrund weiter an dem Blog bastele, arbeite ich als freie Architektin an verschiedenen Projekten, an einigen allein, bei anderen mit Freunden. Eines davon ist die Umwandlung eines modernistischen Gebäudes aus den 1920ern in Oslo, so knüpft meine Karriere auch wieder an Norwegen an, wie schön!

Du hast offensichtlich eine Menge Ideen und Pläne. Wann und wo kommen dir die besten Gedanken?

Keine Frage: natürlich in Hampstead Heath! Immer wenn ich eine Pause vom hektischen Business brauche, gehe ich dorthin. Um zu lesen, für einen Spaziergang, meinen Morgenlauf oder einfach nur, um dazusitzen und die Sicht auf den Park und die Silhouette der Stadt zu genießen. Das hilft mir, einen klaren Kopf zu bekommen und ist mein Zufluchtsort hier in London geworden, der mich irgendwie gesund hält. Und dann gehe ich auch gern in ein Café, setze mich allein an einen Tisch, erfreue mich an dem geschäftigen Treiben und beobachte die anderen Gäste. Aber ich bin auch eine Kaffeeliebhaberin und verschiedene Coffeeshops zu erkunden, macht mir Freude. Also inspiriert mich beides: eine ruhige, ländliche Umgebung ebenso wie städtisches Gewühl.

Da trifft es sich gut, dass du beides direkt vor der Haustür findest.

Genau.

Gut, dann lass uns jetzt mal deine Freunde treffen.

/ Wir finden ein schönes Plätzchen bei einem der Weiher in Hampstead Heath und es sieht so aus, als hätten alle Spaß an dem Picknick. Aber was ist mit dem Brunost?/

Picnic in the park

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Sagt mal, wie gefällt euch Brunost?

Carina: Also ich mag ihn wirklich.

Edward: Ja, ich mag ihn auch, obwohl ich vielleicht einen noch kräftigeren Geschmack bevorzugen würde. Unter der Konfitüre geht er ein wenig unter. Aber doch, er schmeckt mir.

Und du, Ros?

Ros: Ich habe Brunost schon mal in Norwegen probiert, nur einige Male. Aber immer nur als Zutat in einem Gericht. Jetzt als Nascherei mit Scones und Marmelade genieße ich ihn echt, köstlich! Kann man ihn auf einem Burger schmelzen lassen? Hat das schon mal jemand probiert?

Edward: Ich könnte mir das gut vorstellen. Na ja, ich hab’s noch nicht ausprobiert. Und ich weiß nicht, ob ... Ich glaube, das würde funktionieren!

Christina: Was wäre mit Brunost Eiscreme?

Brunost Eiscreme gibt es! Ihr könnt auf unsere Website gehen, da findet ihr ein Rezept für  Brunost Eiscreme.

Ihr könnt auch eine Karamellsauce daraus machen.

Aleks: Ich empfehle sie zu Wildgerichten ...

Edward: Jaa, das ist wirklich gut. Brunost als Zutat für die Sauce.

Ros: Das muss ich unbedingt ausprobieren.

Christina: Ja, es bringt genau den richtigen Grad Süße in die Sauce, das macht sie erst harmonisch.

Aleks: Brunost macht einfach generell das Leben besser, oder etwa nicht?

Lasst uns hier abbrechen. (Großes Gelächter.)

Während wir zusammenpacken, diskutieren alle, was wir noch unternehmen und entscheiden sich dann für das einzig Richtige, wenn man in London ist: einen Pint im nächsten Pub.