Anne Olsdotter Kvålen wurde am 6. Januar 1846 in Skåbu als Tochter von Ola und Kari Kvålen geboren. Beide kamen aus Fron im Gudbrandsdal und bewirtschafteten den Hof Solbrå, den sie 1850 vom norwegischen Staat kauften. Nach damaligen Maßstäben war Solbrå ein schöner großer Hof mit Viehhaltung, mehreren Kleinbauernstellen und einer Sennhütte für die Milchwirtschaft im Sommer. Der Hof produzierte hauptsächlich Butter, die leicht zu verkaufen war und die Bauern mit Bargeld versorgte.

Von ihrer frühesten Kindheit an half Anne bei der Hausarbeit und hütete im Sommer die Kühe auf der Alm. Bei der Landarbeit zu helfen, war für Kinder in der damaligen Zeit völlig normal. Im Sommer ihrer Konfirmation, im Alter von 16 Jahren, wurde ihr schon die Verantwortung für den Betrieb der Sennhütte von Solbrå übertragen, die mit anderen Almhütten an den Hängen über dem schönen Gudbrandsdalen lag. Diese Aufgabe umfasste die Verarbeitung der Milch, das Buttern, Käse machen und das Einkochen der Molke. Dabei hatte Anne es ausschließlich mit Kuhmilch zu tun, denn ihr Vater mochte keine Ziegen.

An den hellen Sommerabenden besuchten die Sennerinnen sich gegenseitig, wenn sie dazu Zeit fanden und tauschten Erfahrungen aus. An so einem Abend im Jahre 1863 besuchte Anne die benachbarte Sennerei. Dort wurde sie mit braunem Käse, der aus Kuhmolke hergestellt worden war, bewirtet. Er hatte einen tiefen, vollen Geschmack, der Anne sehr gefiel. Ihr Vater erlaubte ihr den Versuch, einen ähnlichen Käse auf ihrer eigenen Sennhütte herzustellen. Anne entschloss sich, Sahne in die Molke zu geben, die sie einkochte. Als die Masse über mehrere Stunden bis auf die richtige Konsistenz eingekocht war, schöpfte sie sie in einen Trog. Dann rührte sie die Masse bis sie erkaltet war, knetete sie mit den Händen und presste sie in Käseformen. Diese neue Variante, die sie durch das Hinzufügen von Sahne kreiert hatte, wurde gut aufgenommen und jeder lobte den Geschmack. Annes erster Gudbrandsdalen wurde also im Sommer 1863 hergestellt.

Die Sennerinnen auf den Almen besuchten sich allerdings nicht nur gegenseitig, sondern wurden auch gern von den jungen Burschen aus den Dörfern besucht. Liebesgeschichten und Romanzen begannen oft auf den Almen. Am 7. September 1868 heiratete Anne den Bauern Tor Hov in der Kirche von Sør-Fron. Sie war 22 Jahre alt und Tor 23. Im Frühjahr 1868 kauften sie den Hof Rusthage im Gudbrandsdal für 3.000 Speciedaler (nach heutigem Wert ca. 64.000 €) und hielten dort nun auch Ziegen.

Zwischen 1870 und 1880 gab es weitverbreitete Armut in Norwegen. Die Lebensumstände waren so schlecht, dass wir uns heute kaum vorstellen können, wie hart das Leben für viele Menschen war. Auch die Bauern in Gudbrandsdalen hatten Mühe, über die Runden zu kommen. Anne begann nun, zu Hause ihren Käse herzustellen. Diesmal gab sie nicht nur Kuhsahne, sondern auch Ziegenmilch zur Molke. Annes „Käsefabrik“ war sehr einfach und unkompliziert. In ihrer Küche kochte sie die Molke in einem 70-Liter-Kessel über dem Feuer ein. Sie verkaufte ihren Käse im nächsten Dorf und der örtliche Ladenbesitzer stellte bald eine große Nachfrage nach Annes geschmackvollem Käse fest. Um den wachsenden Bedarf, zuerst in der Region und schließlich in ganz Norwegen zu decken, wurde bald im ganzen Gudbrandsdal Käse nach Annes Rezept hergestellt.
Ihr gebührt der Ruhm als Erfinderin des berühmten Gudbrandsdalen Käse. Im Januar 1933 wurde ihr in ihrem Heim im Gudbrandsdalen die Königliche Verdienstmedaille von der norwegischen Regierung verliehen – als Dank für ihre Anstrengungen bei der Rettung des Gudbrandsdalen vor dem finanziellen Ruin in den 1880ern und ganz konkret für die Entwicklung des Käses, der schließlich zum Nationalkäse Norwegens wurde.

Frei erzählt nach dem Buch “Gudbrandsdalsosten 125 år” von Jens Sundt.